Die Interims (vorübergehende) Prothese für Hunde
Eure Fragen und meine Erfahrungen
Wenn Leute uns auf Spaziergängen entgegenkommen oder wir mit den Hunden in der Stadt unterwegs sind, hören wir immer die unterschiedlichsten Aussagen: „Der Hund hat ein Bein gebrochen!“, „Guck Mama, der Hund hat da was am Bein.“ oder „Der Hund ist verletzt, der Arme.“ Sehr selten kommt eine „richtige“ Aussage zu unserem behinderten Hund, nämlich dass ihm eine Pfote fehlt und er eine sogenannte Prothese trägt.
Aber was ist eine Prothese überhaupt?
In diesem Blogbeitrag möchte ich Dir die Thematik dreibeinige Hunde und Prothese nahelegen und beantworte Fragen, denen wir auf Instagram – unserem Social Medial Kanal – immer wieder begegnen.
Aus was besteht eine Prothese überhaupt?
Mateos Prothese ist aus Carbon gebaut. Das ist ein leichtes Faser-Harz-Gemisch, das auch im Rennsport oder für Flugzeuge benutzt wird. Sie besteht insgesamt aus einem Silikonliner, dem Prothesenschaft und dem Prothesenfuß.
Den Silikonliner kann man mit einer Socke für „normale“ Menschen vergleichen. Wir ziehen schließlich auch keine Schuhe ohne Socken an – Meistens jedenfalls. 😉 Er stellt die Verbindung zwischen Stumpf und Prothese her. Der Prothesenschaft ist die harte Schale – quasi der Schuh beim Menschen – der gesamten Technik. Der Carbonfuß (auch die Feder) ist wie die Schuhsohle beim Schuh und dient als Stoßdämpfer. Die Energie verpufft im Fall von Mateos Prothese aber nicht. Sie wird teilweise zurückgefedert. Das ermöglicht ihm größere Strecken zurückzulegen. Oft sind die Leute verwundert, wie gut die Prothese an Mateos Bein hält. Auch unter den Fragen unserer Follower schleicht sich öfter mal die Frage „Wie hält die Prothese überhaupt?“ ein. Ich zitiere hier gerne unseren Orthopädiemechaniker: „Das Bein wird mit einem sogenannten Boa-Verschluss verspannt, im Prinzip wie eine Schnürung am Schuh.“
Die Interims-Prothese
Mateo kam mit etwa 5 Monaten aus Griechenland nach Deutschland. Hier fand er schon nach kurzer Zeit seinen Weg zu einer Prothese. Die ganze Geschichte kannst Du in diesem Blogbeitrag nachlesen. Wie allgemein bekannt ist, sind Hunde frühestens mit dem ersten Lebensjahr ausgewachsen. Mateo befand sich also noch im Wachstum, als er seine erste Prothese bekam. Für Mateo bedeutet das, dass er vorerst eine Interims Prothese – also eine vorübergehende Prothese – erhält. Mit 5 Monaten wird sich noch einiges an seinem Körperbau verändern und diese Erfahrung haben wir im Laufe seines ersten Lebensjahres auch machen dürfen. Eine Interims Prothese erhält sowohl Mensch als auch Tier, denn: Der Stumpf verändert sich in der Frühphase (bei Menschen zB nach der OP) und eine Nachpassung wird mehrere Male erforderlich sein.
Die Übergangsprothese dient also dazu, dass sich Mateo an die Prothese gewöhnen kann und der Stumpf seine künftige, bleibende „Form“ entwickelt. Während seiner Wachstumsphase waren wir dreimal bei unserem Orthopädiemechaniker, um die Prothese anzupassen.
Hin- und wieder landete die Prothese in einem Karton und schließlich bei der Post. So konnte Nils kleine Anpassungen an der Prothese vornehmen, ohne dass die verpinscht-Family 6 Stunden Autofahrt hinter sich lassen musste. Mein Tipp: Suche Dir einen Orthopädiemechaniker in deiner Nähe. Das wird vieles einfacher für Dich machen. Ich hätte mich sicher auch umsehen können, denn wie ich positiv feststellen durfte, gibt es nicht wenig Firmen, die Hundeprothesen anbieten. Aber Rafael und ich (und vor allem Mateo!) sind absolut zufrieden mit Nils. Da nehmen wir gern den Mehraufwand in Kauf. Anhand der Bilder kannst Du sehen, dass der Fuß und die Feder der Prothese mehrmals verändert wurden. Warum? Weil Mateo mit der Zeit nicht nur an Größe gewann, sondern auch an Gewicht. Außerdem entdeckte er mit der Zeit die Liebe zur Bewegung: Er wurde aktiver, schneller, wendiger und wilder.
Sobald das Stumpfvolumen stabil bleibt, wird eine Definitiv Prothese angefertigt. Nils hat beim Bau darauf geachtet, dass die vorübergehende Prothese höhenverstellbar ist und mit Mateo bis zu einem gewissen Grad mitwachsen kann. Somit ist sie etwas massiver als es die endgültige Prothese sein wird. Als Vorbereitung für die Definitiv Prothese haben wir Mateos Wachstumsfugen mit der Vollendung seines ersten Lebensjahres röntgen lassen. Kompetente Tierärzte können Dir anhand des Röntgenbildes sagen, ob Dein Hund ausgewachsen ist oder nicht. Mateo war zum 01.11.2019 offiziell ausgewachsen. Die Planung für Mateos neue Prothese konnte also offiziell losgehen!
Auf was kommt es bei einer Prothese an?
Prothesen werden von Orthopädiemechanikern hergestellt. Für Hundeprothesen gibt es allerdings keine gesonderte Ausbildung, daher gibt es sehr große Unterschiede in der Herstellungsart. Das erklärt die vielen unterschiedlich aussehenden Prothesen an Tieren, wie man sie heutzutage oft auf Social Media Kanälen in Form von Videos bewundern kann.
Beim Bau einer Prothese orientiert man sich an der Mobilitätsklasse und dem Aktivitätsgrad des Patienten. Insgesamt gibt es 4 Mobilitätsklassen. Die erste Mobilitätsklasse nennt sich „Innenbereichsgeher“ – Hier wird die Prothese für kurze, ebenerdige Wegstrecken benutzt. „Eingeschränkter Außenbereichsgeher“ nennt sich die zweite Mobilitätsklasse: Dem Prothesenträger ist eine langsame Fortbewegung mit kleinen Hindernissen möglich. Die dritte Stufe nennt sich „Uneingeschränkter Außenbereichsgeher“ (bei der ersten Auseinandersetzung mit diesem Thema hatte ich Mateo in dieser Klasse zugeordnet) und hier kann der Patient sich nicht nur langsam fortbewegen, sondern auch schnelleres Tempo annehmen und sich auf unterschiedlichem Untergrund bewegen. Die vierte und somit letzte Mobilitätsklasse nennt sich „Uneingeschränkter Außenbereichsgeher mit besonders hohen Funktionsansprüchen“. Beim Lesen dieser letzten Klasse musste ich schmunzeln und ohne weitergelesen zu haben, wusste ich, dass Mateo nicht in die Mobilitätsklasse 3, sondern in die vierte gehört. Da waren unser Orthopädiemechaniker und ich uns einig. Hier ist dem Prothesenträger eine Fortbewegung ohne Einschränkung von Strecke und Dauer möglich und die Prothese ist oft einer hohen Stoßbelastung ausgesetzt. Mateo rauft und spielt unheimlich gerne mit anderen Hunden. Dabei kann es gerne rabiater zugehen – Das ist genau Mateos Spielweise. Mit der Zeit haben Nils (Unser Orthopädiemechaniker) und ich das feststellen dürfen.
Was kostet eine Prothese?
Eine der beliebtesten Fragen. Verständlich! Wer mit dem Gedanken spielt, einen behinderten Hund bei sich aufzunehmen und ihm eine Prothese zu ermöglichen, muss es sich schließlich auch leisten können. Die Kosten für eine Prothese liegen bei ungefähr 600,- Euro -1000,- Euro für Kunststoff und für Carbon bei 1000,- Euro bis 1500,- Euro. Je nach Firma können die Preise stark schwanken, eine genaue Angabe kann ich hier also nicht machen.
Wie lange hält so eine Prothese?
Eine Prothese ist ein Gebrauchsgegenstand. Die Haltbarkeit hängt also ganz von der Nutzung und Art der Belastung ab. Bei häufiger und intensiver Verwendung nutzt das Material sich logischerweise schneller ab. Bei einer alltäglichen Belastung sprechen wir hier von 2 bis 4 Jahren. Der Fuß selbst wird wahrscheinlich jährlich ausgewechselt werden müssen – Hier ist die Abnutzung am stärksten. Gerne ziehe ich an dieser Stelle wieder mein Schuhbeispiel heran, denn: Beim Schuh ist die Schuhsohle in der Regel das erste, was sich abnutzt, bevor wir uns neue Schuhe kaufen.
Ist die Prothese zwingend notwendig?
Mit dieser Frage komme ich auch direkt zu dem Fazit dieses Blogbeitrags. Selbstverständlich kommt Mateo auch super ohne Prothese zurecht. Er ist mindestens genauso schnell ohne Prothese und eigentlich stört er sich zumindest psychisch überhaupt nicht an seiner Behinderung. Es steht allerdings außer Frage, dass Mateo mit Prothese ein längeres und vor allem gesünderes Leben vor sich haben wird. Mit Prothese hat Mateo die Möglichkeit, an ausgiebigen Spaziergängen teilzuhaben, ohne seinen Körper mit humpelnden Bewegungen zu überstrapazieren. Gerade seinem verbliebenem Vorderbein wird mit der Prothese eine große Last genommen, denn ohne Prothese würde sich Mateos komplettes vorderes Körpergewicht auf ein einziges Bein konzentrieren. Mit einer Prothese hat der Hund einen normalen Gang, eine gesunde Körperhaltung, einen geraden Rücken und keine überbelasteten Gelenke. Es sind aber nicht nur die gesundheitlichen Aspekte, die eine Prothese positiv beeinflusst. Mateo hat die Möglichkeit, wie ein gesunder Rüde zu markieren. Er kann buddeln und er kann Treppen gehen. In vielerlei Hinsicht verbessert die Prothese Mateos Lebensqualität und das ist zweifelsohne unbezahlbar und jede Mühe wert.
Toll, dass es sowas für die Tiere gibt. Wird bei der Anpassung ein Tierarzt zurate gezogen? Was, wenn die Wunde noch heilt?
Hallo, danke für den tollen Artikel zu Prothesen. Ich möchte meinem Hund eine anfertigen lassen. Er wird auch einen Rutenschutz brauchen. Ich werde mich noch näher informieren, danke!
Hallo
Leon ist gerade mal 5 Monate alt und hat nur drei Beine. Ich habe keine Ahnung an wen ich mich
wenden kann um ihm eine Übergangsprothese machen zu lassen. Haben Sie mir eine Adresse?
Vielen Dank und freundliche Grüsse
Hallo Regula,
das tut mir leid zu hören!
Wir können dir unseren Prothesenbauer empfehlen: Nils Kasten von Kasten und Kasten Tierorthopädie. Er kennt sich super aus und behandelt jeden individuell. 🙂
LG
Vanessa
Danke für den ausführlichen Bericht. Wie es aussieht, zieht demnächst ein Hund mit 4 Beinen und 3 Pfoten bei uns ein. Eine Prothese soll ihm helfen, einfacher zu laufen. Nochmals danke
Hallo! Es freut uns dass wir dir mit dem Bericht helfen konnten! Wir wünschen euch beiden eine schöne gemeinsame Zeit! 🙂
Auf den Bildern sieht das ganze schon recht komisch aus. Das muss man schon sagen, aber wenn es Mateo hilf mit seiner Einschränkung besser klar zu kommen spielt das Aussehen keine Rolle mehr. Das ganze ist meiner Meinung nach recht erstaunlich was die Mediziner alles können und das sogar bei Hunden.
Wie waren seine ersten Schritte mit der Prothese?
Für Menschen die eine Prothese am Hund das erste mal sehen, ist es glaube ich wirklich etwas komisch.
Ich kann aber nur sagen, das Mateo dank der Prothese alles ganz normal machen kann und wir so eine zu starke Belastung auf dem anderen Bein vermeiden können. 🙂
Es ist wirklich sehr erstaunlich, woran die Tiermediziner bereits arbeiten, vor allem im Bereich der Protethik.
Anfänglich war es noch sehr holprig, aber jetzt ist es als würde keine Pfote mehr fehlen. 🙂