Unser Besuch beim Prothesenbauer für Hunde
Jeder, der sich auf diesem Blog schon ein wenig umgesehen hat, hat mich, Mateo, bereits kennengelernt. Oft fragt ihr meine Besitzerin: wie kommt ein Hund überhaupt zu so einem Hilfsmittel?! Kann man eine Prothese einfach so bestellen? Wie wird so eine Prothese angefertigt und wer baut sowas überhaupt? Fragen wie diese kommen immer wieder auf, wenn ich mit dem Rudel unterwegs bin. Tatsächlich wissen viele Leute noch gar nicht, dass es so etwas wie orthopädische Hilfsmittel für Tiere überhaupt gibt. Aus diesem Grund haben meine Besitzerin Vanessa und der Prothesenbauer Nils sich zusammengesetzt und einen gemeinsamen Text erarbeitet, um Dir zu veranschaulichen, wie der Weg zum Hilfsmittel für Hunde aussieht.
Ich wohne mit meiner Familie in der Nähe von Köln, also ist eine Anreise für uns immer mit einem gewissen Mehraufwand verbunden. Wenn auch Du eine weitere Strecke zurückzulegen hast, um einen Termin bei Kasten + Kasten Tierorthopädie wahrzunehmen, ist vorab eine digitale Dokumentation der bisherigen Wundversorgung (darunter fallen Arztberichte sowie aktuelle Röntgenaufnahmen der betroffenen Stelle) zwingend nötig, damit bei einem persönlichen Gespräch schon alle wichtigen Infos vorhanden sind. Du siehst: es ist möglich, auch mit einer weiteren Entfernung eine gute Betreuung zu erhalten.
„Für mich ist das kein Problem, da ich für die beste prothetische Versorgung für meinen Hund gerne eine weite Strecke hinter mich bringe“, sagt Vanessa.
Beim ersten Termin hat Nils mich kennengelernt und versucht, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Es ist enorm wichtig, dass Dein Tier sich wohl fühlt. Nils legt großen Wert auf eine ruhige und sichere Atmosphäre. Ich habe mich gleich so wohl gefühlt, dass ich irgendwann einfach eingeschlafen bin.
Während des Termins tastet Nils den Stumpf oder die zu behandelnden Körperteile ab, um sich einen Eindruck zu verschaffen, ob Dein Tier versorgt werden kann oder ob eine weitere Behandlung durch Deinen Tierarzt notwendig ist. Dabei durfte Vanessa selbstverständlich bei mir bleiben; so konnte die Zeit zum Gespräch genutzt werden, um über die Art der Versorgung und die entstehenden Kosten aufzuklären.
„Anschließend habe ich von Mateos Stumpf einen Gipsabdruck angefertigt. Das Abgipsen empfindet Mateo immer als sehr angenehm, denn er ist bisher jedes Mal dabei eingeschlafen“, sagt Nils. Für mich fühlt sich das Abgipsen und Abtasten immer wie eine Massage an!
Ich wurde bereits als Welpe im Alter von sechs Monaten von Nils mit einer vorübergehenden Prothese ausgestattet. Innerhalb der nächsten sechs Monate bin ich um einiges gewachsen und somit rückte der nächste Besuch bei Nils für die neue und finale Prothese immer näher.
„Vor unserer Anreise ließ ich beim Tierarzt ein Röntgenbild von Mateos Wachstumsfugen und seines Stumpfes machen. Mit dem Röntgenbild der Wachstumsfugen konnte unser Tierarzt feststellen, ob Mateo bereits ausgewachsen und somit bereit für seine nächste Prothese war. Das Röntgenbild des Stumpfes ließ ich Nils für unser gemeinsames Gespräch vorab per E-Mail zukommen“, erzählt Vanessa.
Sie ergänzt: „Viele Hunde mit fehlenden Gliedmaßen haben in ihrem Leben leider schlechte Erfahrungen machen müssen. Auch wenn wir nicht wissen, was mit Mateo in Griechenland passiert ist, hat uns der Tierarzt durch das Röntgenbild seines Stumpfs sagen können, dass die fehlende Pfote unprofessionell amputiert worden ist und es sich dabei nicht – wie vorher angenommen – um einen Unfall oder eine angeborene Behinderung handelt. Auch Mateos Verhalten unmittelbar nach seiner Adoption lässt leider auf eine Misshandlung schließen: immer, wenn ich seinen Stumpf abtastete oder eincremte, schrie Mateo laut auf und zog seinen Stumpf ruckartig von mir weg. Dass er zu dem Zeitpunkt Schmerzen empfand, war durch den Tierarzt bereits ausgeschlossen worden.
Ich tastete mich also langsam an meinen frisch adoptierten Dreibeiner heran: Ich streichelte mehrmals am Tag und so beiläufig wie möglich sein betroffenes Bein erst an der Schulter und arbeitete mich langsam immer weiter runter Richtung Stumpf. Manchmal massierte ich Mateo an unterschiedlichen Stellen und streifte mit der Hand beiläufig seinen Stumpf. Solche Massage-Einheiten beendete ich immer dann, wenn Mateo einschlief und damit so positiv wie möglich für den Hund. Mit vielen Massagen, Leckerlis und Geduld habe ich Mateos Vertrauen für mich gewinnen können. So konnte ich ihn schnell an das Abtasten und Eincremen des Stumpfes gewöhnen. Durch das positive Verknüpfen nach jeder Berührung an seinem behinderten Bein fiel es ihm immer leichter, viele unterschiedliche Berührungen zuzulassen – was gerade für Tierärzte und Tier-Orthopädiemechaniker essentiell für eine Behandlung am Tier ist.“
Nachdem der Gipsabdruck ausgehärtet ist, fertigt Nils eine Testschale aus durchsichtigem Kunststoff. Die Testschale ist essentiell für Nils, um später bei der Arbeit mit Silikon und Carbon eine optimale Passform zu gewährleisten.
Hier entsteht für Dich und Dein Tier eine Wartezeit von circa 2 Stunden, die ihr mit einem schönen Spaziergang überbrücken könnt.
Von der Werkstatt aus ist man unmittelbar von Feldern und Wiesen umgeben. Auch die Elbe ist nicht weit entfernt; wer mag, kann sich die Zeit in Krautsand am Strand vertreiben.
„Auch wenn es nicht so aussehen mag, ist so ein Besuch in der Werkstatt eines Tier-Orthopädiemechanikers durch die vielen neuen Eindrücke und Gerüche sehr aufregend für den Hund. Mateo ist da keine Ausnahme, auch wenn er vom Wesen ein sehr entspannter Hund ist. So ein Spaziergang während der Wartezeit hat sich für uns als sehr praktisch erwiesen. Mateo konnte sich draußen austoben und ich die im Gespräch neu gewonnen Erkenntnisse und Informationen für das weitere Vorhaben für Mateos neue Prothese verarbeiten und gegebenenfalls während des Spaziergangs aufkommende Fragen bei der Rückkehr anbringen und gemeinsam mit Nils klären.“
Nachdem Nils an der Testschale Änderungen markiert hat, war der erste Besuch auch schon vorbei. In meinem Fall hieß das: ab nach Hause.
Bei Bedarf findet sich für Dich und Dein Tier sicher eine Unterkunft, damit ihr an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen Termine bei Kasten + Kasten Tierorthopädie wahrnehmen könnt, wenn Du gerne eine schnellere Fertigung möchtest.
Es sind für eine optimale Versorgung voraussichtlich 3 persönliche Termine notwendig, die in der Werkstatt wahrgenommen werden müssen. Leider ist ein Hausbesuch derzeit nicht möglich.
Der zweite Termin wird dafür genutzt, den Silikon-Liner anzupassen. In meinem Fall bedeutete das, einen Schlitz ins Silikon zu bringen, um das An- und Ausziehen leichter zu gestalten. Zudem wurde bei mir das Material gekürzt, damit das Silikon nicht zu viel von meinem Bein einnimmt und die Bewegungsfreiheit des Gelenks nicht einschränkt. Ich habe gleich gemerkt, dass mein Liner aus Silikon gekürzt wurde! Mich zu bewegen war jetzt noch angenehmer als zuvor.
Nun wird auch der neue Schaft aus Carbon kontrolliert, um gegebenenfalls individuelle Änderungen an der Prothese vorzunehmen. In diesem Schritt spielt auch die Feder eine Rolle: sie wird an die Prothese angebracht, um die Höheneinstellungen genau einschätzen zu können.
„Der zweite Besuch in Nils‘ Werkstatt war für mich sehr aufregend: Mateos neue Prothese war fertig! Zuerst zeigte Nils mir sein Werk und erklärte die Funktion der einzelnen Bestandteile der Prothese und wie die neue Feder funktionierte. Mateo bekam die Prothese von mir angezogen, damit Nils sich einen Eindruck davon machen konnte, ob alles einwandfrei klappte und in der Handhabung „kundenfreundlich“ sei. Schnell stellte sich heraus, dass der Silikon-Liner sich schwer über den Stumpf ziehen ließ bzw. Mateo es als unangenehm empfand. Hierfür fand sich prompt eine gute Lösung. Mit dem ausgebesserten Silikon-Liner machte Mateo viele Lauftests mit der Prothese. Nils ließ sich außerordentlich viel Zeit und ich fühlte mich durchweg gut aufgehoben. Der Termin war sehr zeitintensiv. Nils nahm stets Rücksicht auf Mateo: Es wurden häppchenweise Optimierungen an der Prothese vorgenommen, sodass Mateo immer genug Pausen zwischen den Durchgängen hatte. Beim zweiten Termin war er als Patient definitiv häufiger gefragt und musste für die Ganganalyse viel Laufen. Während Nils die Optimierungen an der Prothese vornahm, fragte er mich zwischendurch immer wieder nach meiner Meinung und meinen Verbesserungsvorschlägen, was ich als sehr positiv wahrnahm: Schließlich kennt jeder Hundebesitzer seinen Hund am besten.“
Beim letzten Termin hat Nils dann ein fertiges Produkt für Dich und Dein Tier, welches nach einer Laufanalyse sofort genutzt werden kann. Eine Eingewöhnungsphase ist hierbei notwendig, genau wie die tägliche Pflege des Hilfsmittels und der Stelle, an der es getragen wird.
„Durch den neuen Silikon-Liner und der neuen Feder war das Tragegefühl für Mateo ein gänzlich anderes als in seiner Vorgänger-Prothese. Somit hatte er anfänglich Schwierigkeiten, in der Prothese zu laufen. Da Hunde aber wie wir Menschen Gewohnheitstiere sind, war ich guter Dinge“, sagt Vanessa.
„Das Laufen in der Prothese habe ich Mateo schon von klein auf zuerst an der kurzen Leine beigebracht: Das hat den Vorteil, dass ich ihm bei jedem einzelnen Schritt behilflich sein kann. Es ist völlig normal, dass Hunde die Prothese am Stumpf-Bein vorerst komplett ignorieren und sich wie gewohnt auf drei Beinen fortbewegen bzw. humpeln. Schließlich weiß der Hund nicht, wofür so eine Prothese überhaupt ist und wieso die jetzt von heute auf morgen an seinem Bein klebt.
Bei Mateo hat es sich bewährt, sein gesundes Bein in die Hand zu nehmen und anzuheben, sodass er gezwungen ist, die Prothese aufzusetzen und zu benutzen. So konnte er schon einmal ein Gefühl dafür gewinnen, wie sich das Aufsetzen des Stumpfes und das Tragen der Prothese anfühlt. Das habe ich bei jedem Schritt gemacht: Das gesunde Bein setzt einen Schritt nach vorn, Du hebst es an und das Prothesen-Bein setzt daraufhin auf. Nach ein paar Durchgängen hatte Mateo den Dreh raus und ich musste ihm nicht mehr behilflich sein.
Achtung! Dies galt nur im Schritttempo. Denn zwischen dem Gangbild im Schritt und dem Gangbild im Trab (oder Lauf) gibt es bei Hunden einen riesigen Unterschied. Auch das muss der Hund erst mit der Prothese lernen. Nun sind laufende Hunde viel schneller als wir Menschen unterwegs und das Anheben des gesunden Beins als Korrektur ist nicht mehr so einfach wie im Schritttempo. Hier nehme ich Mateo also wieder an die Leine und jogge neben ihm her: Sobald er dazu tendiert, die Prothese zu ignorieren und zu humpeln und nicht mit der Prothese zu laufen, bin ich ganz einfach stehen geblieben. Diese Methode hat sich bei uns bewährt, Mateo nochmals daran zu erinnern, dass er eine Prothese hat und sein Stumpf-Bein aufsetzen kann.
Mittlerweile kann ich sagen, dass Mateo nach fast drei Jahren Training problemlos den Unterschied erkennt und sehr schnell schaltet, sobald ich ihm die Prothese über den Stumpf ziehe. Er setzt sie sofort beim Gehen ein, selbst wenn ich sie auf unserem Spaziergang mittendrin einfach ausziehe und wieder anziehe. Er zögert nicht, sie sofort in sein Gangbild zu integrieren. Einen Hund an seine Prothese zu gewöhnen, benötigt nur ein bisschen Zeit und viel Geduld, gepaart mit einer gesunden Portion Feingefühl für den Hund.
So selbstverständlich, wie Menschen sich vor dem Essen oder nach dem Toilettengang die Hände waschen, wasche ich Mateos Prothese nach jedem Spaziergang mit kaltem Wasser und einer Zahnbürste ab. Und so selbstverständlich, wie Frauen ihre Menstruationstasse in heißem Wasser abkochen, koche ich Mateos Silikon-Liner einmal im Monat in heißem Wasser für 30 Minuten ab. Mateos Prothese ist nicht mehr aus unserem Alltag und Mateos Leben wegzudenken.
Mateo ist bereits seit 3 Jahren Nils‘ Patient und in dieser gesamten Zeit sind wir vier Mal mit dem Auto zu ihm in den Norden gefahren. Viele Fragen, die aufkommen, klären wir über das Internet oder auch telefonisch und ich habe mich in der gesamten Zeit nie schlecht aufgehoben gefühlt: Die etwas weitere Distanz ist also kein Hindernis für eine gute Betreuung.“
Du suchst noch nach einem Prothesenbauer für Deinen Vierbeiner? Dann schaut euch gerne auf der Website von Nils um!