Kastration beim Hund – Ja, Nein, Vielleicht
Beim Thema Kastration scheiden sich die Geister. Ich glaube, ein Thema war bei Hundebesitzern noch nie umstrittener als dieses. Es gibt Hundehalter die auf eine Kastration ihres Hundes schwören und es gibt Hundehalter die strikt gegen eine Kastration sind. Treffen sich beide Hundehalter, kommt es oft zu einer Auseinandersetzung. Aber wieso ist das so?
In meinen Augen ist jeder selbst für seinen Hund verantwortlich. Als Hundebesitzer kennst Du deinen Hund immer am besten. Die Entscheidung ob Du deinen Hund kastrieren lässt oder nicht kann (und soll) Dir letztendlich keiner abnehmen. Trotzdem haben mich einige nach meinen Erfahrungen zu dem Streitthema gefragt.
Vorab: Ja, das komplette verpinscht-Rudel ist kastriert. Jede Kastration wurde von Rafael und mir sorgfältig durchdacht und jede Kastration hatte auch ihren Grund. Bis heute bereuen wir keine der drei Entscheidungen für eine Kastration.
Wieso sind meine Hunde kastriert?
Fangen wir bei Mojo an.
Mojo haben wir im Alter von 4 Jahren kastrieren lassen. Bei ihm fiel uns die Entscheidung sehr schwer. Immerhin hört man doch überall, dass man ein schlechter Hundehalter sei, wenn man seinen Hund heutzutage kastrieren lässt. Man sei zu faul, seinen Hund zu erziehen, wenn eine Kastration in Erwägung gezogen wird. „Eine Kastration ersetzt die Erziehung nicht.“ Solche Anschuldigungen möchte man sich als Hundehalter schließlich nicht anhören müssen. Auch ich nicht. Also haben wir über Jahre hinweg versucht, Mojos sehr stark ausgeprägten sexuellen Trieb zu unterdrücken. Erfolglos.
Dann haben wir vom Hormonchip erfahren und uns beim Tierarzt dazu beraten lassen. Mojo hat einen Hormonchip für 6 Monate bekommen. Sinn und Zweck vom Hormonchip: Ohne chirurgischen Eingriff eine Kastration beim Hund „vorgaukeln“ und sehen, wie eine Kastration sich auf den Hund auswirken würde.
Bei Mojo hat der Chip nach 2 Wochen angefangen zu wirken. Sein Desinteresse gegenüber Hündinnen und Rüden wuchs und das Aufsaugen von fremdem Hundeurin wurde weniger. Auch wurden Mojos Hoden von Woche zu Woche kleiner, bis sie irgendwann ganz von der Bildfläche verschwunden waren. Sein Interesse an Spiel und Spaß – sowohl mit Frauchen und Herrchen, als auch mit Artgenossen – wurde wieder größer. Rafael und ich waren mit der Wirkung des Hormonchips zufrieden. Der Chip wirkte weitaus länger als 6 Monate – fast ein ganzes Jahr sogar. Dass der Hormonchip seine Wirkung verliert, merkst Du übrigens an den wieder größer werdenden Hoden deines Rüdens!
Bevor der Hormonchip seine ganze Wirkung verlieren würde, mussten wir uns laut Tierarzt für oder gegen eine Kastration entscheiden. Alle 6 Monate einen neuen Hormonchip in den Hund zu setzen ist keine Option (jedenfalls nicht für unseren Tierarzt), denn: Es ist noch immer nicht klar, was der Hormonchip im Hund selbst nach Ablauf seiner Wirkungsdauer bewirkt. Der Hormonchip ist kein Kastrationsersatz, sondern dient nur als eine Testphase für eine mögliche Kastration. Uns fiel die Entscheidung nach der „Testphase“ mit dem Hormonchip nicht mehr ganz so schwer. Mojo hatte in unseren Augen mehr Lebensqualität dazu gewonnen: Er spielte wieder mit anderen Hunden, er hatte wieder gesunden Appetit auf Fressen und Leckerlis und er genoss die Spaziergänge mit uns richtig, ohne die ganze Zeit obsessiv nach Urinpfützen suchen zu müssen. Also:
„Ja, wir möchten Mojo kastrieren.“, sagte ich zu unserem Tierarzt. Gesagt, getan und 5 Jahre später kann ich sagen: Wir bereuen es bis heute keinen einzigen Moment, dass wir uns für eine Kastration entschieden haben.
Rana haben wir nach ihrer zweiten Läufigkeit kastrieren lassen. Eigentlich hatte sie gar keine Probleme mit der Läufigkeit. Sie hat sich gut sauber gehalten und Scheinschwanger wurde sie auch nicht. Sie war in der Zeit der Läufigkeit kaum bis gar nicht gestresst. Aber! Nach jeder Läufigkeit hat Rana unter häufigen Blasenentzündungen und sogar unter Gebärmutterentzündungen gelitten. Sie musste nach ihren beiden Läufigkeiten über mehrere Wochen Antibiotika nehmen. Rana wurde also aus gesundheitlichen Gründen im Alter von zwei Jahren und nach ihrer zweiten Läufigkeit kastriert.
Mateo sollte ein intakter Rüde bleiben, so der Plan.
Als Welpe und Junghund gab es keinerlei Probleme mit anderen Hunden. Ich hatte zuerst Bedenken wegen seiner Prothese und der Akzeptanz dieser von Artgenossen. Schnell habe ich gemerkt, dass meine Bedenken unberechtigt waren. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Mateo in die Pubertät kam und ihm prächtige 😉 Hoden wuchsen. Die unangenehmen Begegnungen mit anderen Rüden häuften sich:
Wir spazierten in Köln am Rhein entlang. Uns kam ein kleiner Rüde entgegen gelaufen. Nach Freigabe der Besitzerin ließ ich auch meine drei Chaoten zu diesem Hund laufen. Schnell stürzte sich der Jack Russell Terrier auf Mateo und verbiss sich in seinem Nacken. Ich stieß den Hund weg und dieser attackierte Mateo gleich ein zweites Mal. Glücklicherweise ist Mateo bislang immer sehr (seeehr) freundlich geblieben. Er unterwirft sich und dreht sich weg, möchte die Situation auflockern. Vielleicht reagiert er auch so, weil er nicht anders kann. Mit seiner Behinderung bzw. mit seiner Prothese kann er sich in ernsten Situationen nicht verteidigen.
Begegnungen wie diese blieben leider kein Einzelfall. Ich habe intensiv darüber nachgedacht, woher das plötzlich aggressive Verhalten anderer Rüden Mateo gegenüber kommen könnte. Als er ein Welpe war, war immerhin alles gut. Außerdem ist er nicht der Typ Hund, der ein besonders dominantes oder respektloses Verhalten an den Tag legt. Also habe ich mal recherchiert und bin zu der Erkenntnis gekommen, dass es an der Kombination aus Mateos Männlichkeit und Mateos Behinderung bzw. seiner Prothese liegen könnte. Um der Sache auf den Grund zu gehen, haben wir unserem Tierarzt einen Besuch abgestattet. Dieser bestätigte meine These. Ein halbes Jahr später haben wir Mateo kastrieren lassen. Der Zeitpunkt hätte nicht besser sein können, denn: Mateo musste sowieso in Narkose gelegt werden. Für seine neue Prothese stand nämlich ein Röntgenbild seiner Wachstumsfugen an. Mit diesem Röntgenbild hätten wir Gewissheit darüber, ob Mateo körperlich ausgewachsen ist und ob wir für den Bau der neuen Prothese grünes Licht geben können. Außerdem hat Mateo noch einen Milchzahn im Maul gehabt, der sich einfach nicht verabschieden wollte und operativ entfernt werden musste. Ich hatte das Gefühl, dass es die richtige Entscheidung und das Beste für Mateo ist. Irgendwie hat der Zeitpunkt mit all den anderen „Baustellen“ gepasst und so war Mateo seine ganzen Wehwehchen in einem Rutsch los.
Hat sich das Wesen meiner Hunde nach der Kastration verändert?
Die Informationsquelle Internet kann Dir beim Thema Kastration (nicht nur bei diesem Thema) ganz schön Panik machen. Ich habe wahnsinnig viel in Foren und auf sonstigen Quellen zur Wesensveränderung bei kastrierten Hunden gelesen. Ich muss sagen, weder bei Mojo, noch bei Rana oder bei Mateo konnte ich eine Wesensveränderung feststellen. Keiner meiner Hunde ist zu einer plötzlichen Couchpotato mutiert, aggressiv oder ängstlich geworden. Eigentlich ist bei uns alles so wie es vorher war.
Da im Internet die unterschiedlichsten Antworten zu ein und derselben Frage kursieren und auch ich Dir in diesem Blogbeitrag bis jetzt lediglich meine Erfahrung sowie Meinung (ohne jegliches Fachwissen) mitgeteilt habe, folgt nun eine Reihe an qualifizierten Antworten von Alexandra Stück, die seit 10 Jahren Verhaltenstherapeutin für Hunde ist. Sie hat sich für die Fragen unserer Community Zeit genommen und diese beantwortet:
1. Kann man einen Hund mit Herzfehler kastrieren?
Ja, wenn man bei der Operation das erhöhte Narkoserisiko beachtet und dementsprechende Vorsichtsmaßnahmen ergreift.
2. Ist der Hormonchip zu empfehlen?
Ja, absolut. Er ist das optimale Mittel der Wahl, um zu testen, welche Verhaltensänderungen den Halter nach der Kastration erwarten. Medizinisch gibt es nur Nachteile, wenn man ihn wiederholt anwendet, da es dann zu Hormonschwankungen kommt, die gesundheitlich und verhaltenstherapeutisch Probleme verursachen können, da ein Auf und Ab an Testosteron Stress verursacht. Des Weiteren muss bedacht werden, dass es in den ersten beiden Wochen nach dem Einsetzen des Chips zu einem Anstieg der Hormone GnRH und Testosteron kommt, bevor die Produktion dann runter reguliert wird. Dies kann dazu führen, dass Verhaltensprobleme (Aggression gegen Rüden, Markierverhalten, Stress und Unruhe wegen läufiger Hündinnen, etc.), die durch diese Hormone entstehen zunächst deutlich verschlimmert werden.
Zusatzinfo: Zurzeit gibt es noch kein vergleichbares zugelassenes Präparat für Hündinnen. Dort benutzt man bisher Gestangeninjektionen oder Tabletten, die die Läufigkeit unterdrücken. Solche Präparate sind allerdings mit massiven langfristigen Nebenwirkungen verbunden und daher nicht empfehlenswert.
3. Wann ist der geeignete Zeitpunkt für eine Kastration?
Kastrationen zwischen September und November und vor allem zwischen Februar und Mai sollten beim Rüden vermieden werden. Empfehlenswert ist also die Kastration im Zeitraum rund um den Jahreswechsel oder im frühen bis mittleren Sommer. Studien haben gezeigt, dass kastrierte Rüden sonst einen Duftzustand ähnlich einer läufigen Hündin entwickeln und damit besonders attraktiv für sexuelle Belästigungen durch intakte Rüden werden.
Bei Hündinnen ist der einzig sinnvolle Zeitraum für eine Kastration der Anöstrus, welcher je nach Hunderasse und Zyklus der Hündin zwischen 90 und 110 Tage nach der Läufigkeit liegt und 15 bis 265 Tage andauert. Andernfalls können durch ein Ungleichgewicht der Steuerungshormone im Zwischenhirn und der Hirnanhangsdrüse und dem Wegfall der von ihnen ausgelösten Geschlechtshormone Fehlfunktionen in den gesteuerten Regelkreisen auftauchen. Dies führt zu Unsicherheit, Ängstlichkeit und psychischer Instabilität. Dies geschieht beispielsweise auch bei Kastrationen während der Scheinschwangerschaft oder in Kombination mit einem Kaiserschnitt.
4. Spielt das Alter eine Rolle beim Zeitpunkt der Kastration?
Ja, definitiv. Von einer Frühkastration vor dem 2. Lebensjahr ist zwingend abzuraten, da sowohl medizinisch als auch verhaltensbedingte Probleme begünstigt werden.
5. Nebenwirkungen einer Kastration?
- Schilddrüsenunterfunktion wird begünstigt
- Fellveränderung in Form von Verwollung (je mehr Unterwolle)
- Inkontinenz (deutlich wahrscheinlicher bei Hündin und je größer der Hund)
- Risiko für Hämangiosarkome (Milztumore) steigt
- Risiko für Osteosarkome (Knochentumore) steigt
– Durch den Wegfall der Sexualhormone kommt es bei Frühkastraten (unter 2 Jahre) zu einem verstärkten Längenwachstum der Röhrenknochen, jedoch nicht zu einem größeren Durchmesser derselbigen, wodurch diese weniger stabil werden. Auch Gelenksflächen werden in diesem Zusammenhang weniger gut ausgebildet, ebenso wie das Bindegewebe und die Muskulatur. Dadurch steigt das Risiko für Gelenkserkrankungen, wie Hüft-, Knie- und Ellenbogengelenksdysplasie, sowie Kreuzbandrisse und als Folgeerscheinung daraus zu Arthrosen und Schmerzen
-Dieselben Hormone sind auch für die Stabilisierung des Herz-Kreislaufsystems zuständig, so dass es bei Frühkastraten häufiger zu Herz-Kreislaufproblemen kommt, da das Herz zu schwach für die Größe des Hundes ist.
-Stressresistenz und -das Vermögen zur Stressbewältigung sinken, da deutlich weniger Verknüpfungen im Gehirn nach einer Frühkastration gemacht werden.
6. Vorteile einer Kastration?
Bei der Hündin:
- Wegfall der Läufigkeit
- Fast vollständiger Ausschluss von Mammatumoren
- Keine Eierstockszysten oder – tumore
- Keine Pyometra (Gebährmutterwereiterung)
- Stabilisierung der Psyche, vor allem bei Problemen rund um die Läufigkeit (Aggression, Depression, Scheinträchtigkeit)
- Beim Rüden:
- Keine Hodentumore
- Keine Prostatatumore
- Keine Perianaltumore
- Keine Prostatavergrößerung
- Kein Stress, wenn läufige Hündinnen in der Umgebung sind
- Zum Teil weniger Markieren
7. Wird das Wesen des Hundes verändert?
Dies kann durchaus vorkommen. Oft werden die Hunde träger und sind nicht mehr so interessiert an Sozialkontakten. Sehr häufig werden sie futterfixierter. Zum Teil entwickeln sich durch den Wegfall des Sexualtriebes andere Probleme wie Jagdverhalten. Dies lässt sich aber nie vorhersagen und ein guter Teil der Hunde behält sein Wesen bei.
8. Ist die Kastration eine Art Amputation?
Ja, ist sie, jedoch gilt die Kastration als Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Amputation und Organentnahme, soweit vom Menschen genutzte oder gehaltene Tiere betroffen sind oder eine unkontrollierte Fortpflanzung verhindert werden soll.
9. Wie stehen Sie zu den Tierschutzparagraphen §1 und §6?
§1: „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Ja, dem stimme ich voll und ganz zu.
§6: siehe oben.
10. Ist eine Kastration bei Bauchspeicheldrüsenunterfunktion sinnvoll zumal der Hund „rammelt“?
Nein, da eine Gewichtszunahme hier nicht durch den Wegfall von Sexualhormonen erreicht werden soll, sondern durch eine Behandlung der Ursache. Die schlechtere Energieumwandlung nach einer Kastration wirkt sich eher nachteilig auf die vorhandene Funktionsbeeinträchtigung der Pankreas aus. Das Rammeln sollte sowieso rigoros unterbunden werden, da es ein typisches Stresssignal ist und für eine fehlende Erziehung spricht und somit auch für weitere medizinische und verhaltensbedingte Probleme sorgt (bspw. erhöhte Cortisolausschüttung) Die Kastration beim Hund ist und bleibt ein komplexes sowie umstrittenes Thema. Fakt ist, dass Du kein schlechter Hundehalter bist, egal ob Du dich für oder gegen eine Kastration Deines Hundes entscheidest. Wichtig ist der verantwortungsvolle Umgang mit dem Leben Deines Hundes. Ich kann Dir nur ans Herz legen: Informiere Dich über das Thema, ohne Dich verrückt zu machen. Lass Dir bei der Entscheidung die Zeit, die Du brauchst und Du wirst garantiert die richtige Entscheidung für Deinen Hund treffen! Ich hoffe sehr, Dir mit diesem Blogbeitrag bei der Entscheidung geholfen zu haben.
Der Blogbeitrag gibt einen persönlichen Einblick in die Entscheidung zur Kastration von Hunden. Besonders interessant ist die Erfahrung mit dem Hormonchip als Alternative. Es zeigt, dass es beim Thema Tiergesundheit verschiedene Ansätze gibt, und den Hund chippen zu lassen, könnte eine überlegenswerte Option sein, um die Lebensqualität unserer pelzigen Freunde zu verbessern.
Die Kastration steht für unsere beiden Rüde außer Frage, da sie sich mittlerweile sehr viel anpöbeln und ihr Revier dominant bewachen. Auch für unsere Kinder wäre das besser. Sie sollten die Hunde schließlich auch händeln können.
Unser Hund hat leider einige gesundheitliche Probleme. Trotzdem würden wir ihn gerne kastrieren lassen. Daher ist es gut zu wissen, dass dies möglich ist, solange der Haustierarzt die Probleme im Blick hat.
Meine Freundin und ich wollen einen Hund haben und ich will im Voraus über Hundepflege wissen. Vielen Dank für diesen Beitrag über die Kastration von Hunden. Ich wusste nicht, dass die passende Zeit für Kastration von Hunderasse und Zyklus abhängt.